Kerner und die Burg

Kerner und die Burg

Die Ruine Weibertreu, zu deren Füßen die Stadt liegt, ist eng mit Justinus Kerners Person verbunden. Denn ohne seinen weitsich­tigen Einsatz um deren Erhalt stünde dort heute wahr­scheinlich kein Stein mehr auf dem anderen. Dem Geist der Romantik verpflichtet, wurde auf seine Initiative hin und unter seinem Vorsitz 1823 der „Frauen-Verein zu Weinsberg" gegründet, um die Ruine Weibertreu - sagenumwobenes Symbol für weibliche Klugheit und Treue - vor dem Verfall zu retten. Bemerkenswert daran ist, daß dieser Verein in Deutschland als erster das Wort „Frauen" im Titel führte und sich nicht, wie es damals von weiblicher Betätigung erwartet wurde, der Wohltätigkeit verschrieben hatte. Das Unterfangen wurde ein voller Erfolg, nicht zuletzt weil Kerner den geni­alen Einfall hatte, jeder „Geberin (einer Spende) von dem Vereine einen niedlich gearbeiteten Ring, in den ein Stein­chen von der Burg-Ruine gefaßt ist", als Dankeschön zukommen zu lassen. Vor allem als Verlobungs- und Braut­ringe erfreuten sie sich allgemeiner, sogar überregionaler Beliebtheit. So bedachte der Verleger Cotta seine Frau mit einem Ring, oder ein Hamburger Brautpaar bestellte bei Kerner gleich zwei davon. In einer Zeit, in der es im Vor­dergrund stand, soziales Elend zu beheben - hatten doch die Befreiungskriege, die beginnende Industrialisierung und Hungersnöte für viele Menschen große Armut gebracht -, gehörte neben romantischer Schwärmerei auch eine gute Portion eigenständiges Denken dazu, den Wert denkmal-schützerischer Tätigkeit zu erkennen. Justinus Kerner kann mit Fug und Recht als Vorreiter des Denkmalschutzes gel­ten.

Den fruchtbaren, geschützten Boden innerhalb des Gemäuers der Weibertreu hatten vor der Gründung des „Frauen-Vereins " Weinbauern genutzt, und die Ruine hatte den Weinsbergern als wohlfeiler Stein­bruch gedient. Dem setzte man ein Ende, räumte den Schutt aus dem Gelände, legte Wege und Treppen an, um ein anzie­hendes, bequem erreichbares Ausflugsziel zu schaffen. In den Schießscharten des „Dicken Turms" ließ Kerner Äols­harfen anbringen, jene antiken Saiteninstrumente, die nicht nur ihm, sondern auch dem Dichterkollegen Mörike - in seiner bekannten Ode „An eine Äolsharfe" - als beliebte Projektionsfläche melancholischer Gedankenspiele dienten.

Kerners Gedicht zu diesen Äolsharfen lautet:

„In des Turms zerfallner Mauer /
Tönet bei der Lüfte Gleiten /
Mit bald halb zerrißnen Saiten /
Eine Harfe noch voll Trauer",